Der geschützte Ort   | Sächsische Zeitung, 7.1.2003

Günther Behnisch entwarf den Erweiterungsbau der Kinderkrebsstation im Dresdner Uniklinikum


Erfrischende Farben und eine unkonventionelle Fassade stechen sofort ins Auge, wenn sich dem Besucher der Blick von der Blasewitzer Straße auf das Gelände des Universitätsklinikums in Dresden Johannstadt öffnet. Wie ein Band bunter Phantasie schmiegt sich das Obergeschoss des Erweiterungsbaus der Kinderkrebsstation in die Wahrnehmung. Es hebt sich deutlich ab von den umliegenden denkmalgeschützten Bauten des Bestandes.

Auch das war eine der Forderungen der Deutschen Krebshilfe, die hier im Universitätsklinikum Dresden als Bauherr auftrat. Schon 1996 wurde mit deren finanzieller Unterstützung der erste Teil des Mildred-Scheel-Hauses errichtet. Das Universitätsklinikum Carl Gustav Carus und die TU Dresden können seither am Ausbau der Therapiemaßnahmen und der intensiven Forschung auf dem Gebiet der Knochenmarktransplantation festhalten. Später sollte ein eigenständiges Gebäude zur Behandlung krebskranker Kinder und Jugendlicher hinzukommen.

Zu Beginn des Jahres 2000 lobte man zu diesem Zweck einen Architekturwettbewerb aus. Zu den eingeladenen Architekten gehörte das Büro Behnisch & Partner aus Stuttgart, die durch die Realisierung zahlreicher Kindergärten, Tagesstätten und Schulen bekannt wurden. In Dresden sorgten sie bereits mit dem Bau des St. Benno Gymnasiums für frischen Wind. Abermals stach ihr Entwurf aus der Reihe der Mitbewerber heraus. Im Sommer letzten Jahres war die Grundsteinlegung. Und schon im Oktober 2002 konnte die Klinik an das Universitätskrankenhaus übergeben werden. Es ist im Übrigen der erste Klinikbau des erfolgreichen Architektenteams um seinen Gründer Günter Behnisch.

Neben einer Bettenstation waren vielfältige Räumlichkeiten für die Ambulanz, eine Tagesklinik und ein Laborbereich anzugliedern. „Ein Haus für Kinder – so fanden wir – wäre am schönsten eingeschossig und ebenerdig mit vielfältigen Innen- und Außenbereichen mit fließenden Übergängen zwischen beiden, mit heller und warmer Atmosphäre“, beschreibt Prof. Sabatke die Intentionen der Architekten. Der Bauherr aber wollte ein dreigeschossiges Gebäude errichten. Die Anbindung eines stationären Bereiches an den Vorgängerbau im Obergeschoss zu realisieren, war zudem eine funktionale Forderung. Mit viel Fingerspitzengefühl blieb man sich der Grundidee treu.

Abteilungen wirken wie kleine Häuser Heute führt ein schmaler Schotterweg in sanfter Beschwingtheit auf den Baukörper zu. Neben dem Eingang empfängt noch im Außenbereich eine flache Wasserfläche den Ankommenden und zieht ihn in das Innere. Hier reihen sich die Funktionseinheiten aneinander. Zur Linken der technisch perfekte Laborbereich, dessen Zutritt durch Reinigungsschleusen bestimmt wird. Verwaltungs-, Aufenthalts- und Schulungsräume folgen in rechtwinkliger Genauigkeit um eine zentrale Halle. Über ihr eine kreisrunde Öffnung, durch die großflächig Licht in das untere Geschoss strömt. Eine einläufige Treppe leitet mit großzügiger Geste nach oben. Die Strenge, die das Betonstützenraster der Raumbildung vorgibt, reißt auf. Mehr Licht und Sonne umspült die einzelnen Abteilungen der nächsten Etage, die Tagesklinik, Ambulanz und weitere Arztzimmer aufnimmt. Sie wirken wie kleine Häuser unter dem vereinenden Dach eines Größeren. Zwischen ihnen geben großflächige Glassegmente immer wieder den Blick nach draußen frei.

Das Spiel mit Farben und Materialien wird im Inneren fortgesetzt. Der geschliffenen Kühle des Chroms der technischen Geräte im Klinikbetrieb entgegnen die warmen Farben an Wänden und Säulen mit liebevollem Charme. Das Stapeln der Geschosse wird mit Raffinesse vollzogen. Jedes Geschoss ist anders. Während die beiden unteren sich von außen mit weißen und grauen Faserzementbeplankung sensibel zurücknehmen, wird der Auftritt für das dritte Geschoss vorbereitet. In amöbengleicher Gestalt legt sich ein allumspannendes und schutzbietendes Band um den Baukörper. Es sticht hervor durch seine Farbigkeit. Knallige Fantasiegebilde in Rot, Blau und Gelb dominieren die Putzfassade. Im Inneren eine Überraschung ganz besonderer Art! Der Treppenlauf weitet sich. Man findet sich im zweiten Obergeschoss auf einem offenen Hof wieder. Pflanztöpfe mit Bambusstauden säumen die Fläche, die von den Zimmern der Bettenstation umgrenzt werden. Die Idee des schönen Gartens wird aufgegriffen – eines geschützten Ortes, den Licht und Grünes durchströmt. Die jungen Patienten dieser Station verbringen oft eine lange Behandlungszeit auf dieser Etage. Ihnen wird das Gebäude zum Lebensraum. Sie sollen einen Ort finden, den sie sich spielerisch erobern können und benutzen sollen, wenn es ihre Gesundheit erlaubt. Die zum Innenhof gerichteten Eingangstüren der Patientenzimmer sind deshalb großflächig verglast. Die Scheiben wurden zweischalig eingesetzt. Dazwischen befinden sich Jalousien, die ungewollte Durchblicke verhindern können.

Das Mobiliar in hellem Birkenfurnier, das glatte Linoleum und die frischen Farbakzente vermitteln eine wohnliche Sauberkeit. In den Zimmern konnten sogar Fenstervorhänge angebracht werden. Das warf im Vorfeld zahlreiche Diskussionen auf. Aus hygienischen Gründen ist das nicht erwünscht. Die Entscheidung dafür fiel, weil solche Elemente aus dem Wohnumfeld stammen. So wird eine alltägliche Situation erzeugt, die hilft, die neuen Lebensumstände besser anzunehmen.

Machen Farben schneller gesund? Ob ein Haus etwas zur Heilung der jungen Patienten beitragen kann? Bei der Eröffnung im Oktober 2002 behauptete jemand: „Von den Farben werden die Kinder auch nicht schneller gesund.“ Dass Ärzte und Pflegepersonal den entscheidenden Anteil daran haben, steht außer Frage. Von der Kraft aller Planer dieses Hauses erzählt indes das gelungene Ergebnis. Und man spürt, dass diese Energie bei Medizinern und Patienten ankommt.